Go for Gold!
Yul verrät: So wurde er zum Weltmeister
Von Olympischen Gold träumt wohl jeder Sportler – auch Kanu-Weltmeister Yul Oeltze (25)! Exklusiv bei LOOX nimmt er uns mit auf seine lange Reise nach Tokio, zu den Sommerspielen 2020 (24. Juli bis 9. August 2020). Dann will sich der Magdeburger unsterblich machen, mit Olympia-Gold! Vorher sicherte er sich in August in Portugal zum zweiten Mal den Weltmeister-Titel im Zweier-Canadier. Hier gibt er uns einen spannenden Rückblick.
„Bis Tokio ist es noch etwas hin, doch schon jetzt liegt mein Fokus auf Olympia. Mein gesamtes Training, mein gesamtes Leben ist auf dieses Ziel ausgelegt. Ich will Gold. Ich bin bereits Weltmeister, doch Olympiasieger ist noch einmal eine besondere Nummer. Eine Olympia-Teilnahme ist im Leben eines Sportlers das Größte. Alle vier Jahre fiebern Milliarden Sportfans vor den TV-Geräten, im Internet oder vor Ort mit. Wahnsinn. Olympiasieger – das bleibst du dein gesamtes Leben. Das will ich auch. Dafür trainiere ich.
4 Einheiten für den WM-Titel
In der Vorbereitung auf die Weltmeisterschaft startete mein Tag in der Regel jeden Morgen pünktlich um 6 Uhr. Je nach körperlicher Verfassung mit einem ausgiebigen Frühstück oder einem Shake. Manchmal braucht mein Körper eine halbe Stunde mehr Schlaf.
Zwei Stunden später steht schon die erste Einheit an. Mit meinem Einer-Kanu fahre ich 8-12 Kilometer. Frische Luft, Wasser – da sind wir Kanuten in unserem Element. Die zweite Einheit findet im Kraftraum statt. Ich trainiere viel an der Langhantel und im Crossfit-Bereich. Mein Körper kommt da an seine Grenzen. Dabei trainiere ich sehr viel mit dem eigenen Körpergewicht.
Danach wird Mittag gegessen. Nach der Mittagspause steht Mobilitätstraining an – manchmal geht es auch zum Physio. Hier und da gibt es immer mal wieder ein Zipperlein. Das gehört dazu.
Am Nachmittag geht es noch einmal auf das Wasser!
Feierabend ist dann aber noch lange nicht. Das ist natürlich keine Beschwerde. Ich habe das Glück, meinen Sport, den viele Menschen nur als Hobby ausüben können, professionell und auf allerhöchstem Niveau zu betreiben. Deshalb leide ich gerne – auch bei der dritten Einheit.
Gegen 15 Uhr geht es zu einer intensiven Belastungseinheit auf dem Wasser. Wir machen dort Intervalle oder sehr sprintlastige Programme. In der letzten Einheit des Tages wird nochmal die Mobilität trainiert. Dort wird dann Belastung nachgespielt.
Der Tag endet mit einem Abendessen und manchmal auch noch mit einer Belastungsauswertung. Da bin ich dann auch bald reif für die Falle. Regeneration darf man nicht unterschätzen. Auch wenn man über gute körperliche Grundvoraussetzungen verfügt.
Bom dia, Portugal!
Große Meisterschaften sind immer wieder besonders – auch wenn man schon einmal ganz oben auf dem Treppchen stand. Du fährst auf den Hof in der Deutschlandeinkleidung und weißt: bald wird es ernst – sehr ernst. Du spürst dieses Knistern in der Luft. Mein Partner Peter Kretschmer (Olympiasieger 2012) und ich wissen, dass wir top-vorbereitet sind. Ich kann mich zu 100 Prozent auf ihn verlassen und er sich auf mich.
Eigentlich bin ich nicht auf den Mund gefallen, aber an Wettkampftagen kommt es zu einem Phänomen: Ich halte die Fresse. Ich werde still, komplett ruhig und spreche nur noch das Nötigste. Maximal noch mit Peter. Dann heißt es Sonnenbrille auf, Kopfhörer ins Ohr und kompletter Fokus auf den Wettkampf.
Das Finale: Gold!!!
Der Tag des Finals ist ein reiner Automatismus. Aufstehen, Essen, ab an die Strecke, das Boot checken, warmmachen und dann? Keine Ahnung. Filmriss – und zwar jedes mal. Ich kann mich in solchen Momenten bis zum Startschuss an nicht mehr viel erinnern. Ich bin so in meiner sportlichen Welt gefangen und konzentriert, dass ich alles andere ausknipse.
Das Rennen ist – einfach gesagt – geil. Wir steigen ins Boot, noch einmal die Taktik besprechen, ab in den Startschuh. Jetzt ist jeder Muskel bereit zum Brennen. Der Startschuss ist perfekt getroffen und wir sind sofort im Flow. Schon nach 50 Metern weiß ich: ‚wir sind heute nur ganz schwer zu knacken‘ Wir diktieren das Tempo und setzen uns schon früh vom Feld ab. Wir spielen förmlich mit unseren Gegnern, lassen sie kommen, um schließlich wie auf Knopfdruck wieder davon zu fahren. Ein Rennen wie gemalt.
Wir überschreiten die Ziellinie. Erster! Titelverteidigung. Ich kann nicht schreien, nicht einmal etwas sagen. Ich falle Peter in die Arme. Ich bin so dankbar für diesen Moment. Mein Körper hat zu 100 Prozent funktioniert. Mein Partner und ich haben mit der Titelverteidigung Geschichte geschrieben.
Die Siegerehrung ist dann noch einmal sehr emotional. Wenn die Hymne gespielt wird. Ich genieße jeden Moment. Und tief in mir drin, träume ich davon, dies auch in Tokio zu erfahren.
Der Weg dorthin ist noch weit und die Konkurrenz hart – gerade in Deutschland. Auch wenn wir medial nicht immer im Fokus stehen, sind wir eine Kanu-Nation. Von mir aus könnte schon morgen Olympia sein. Ich bin bereit.“