Doping-Experte fordert
Wir müssen mehr in Prävention investieren
Doping ist auch ein Phänomen des Leistungssports. Online oder direkt: Es ist – im wahrsten Sinne des Wortes – kinderleicht, an verbotene Dopingsubstanzen zu gelangen. Die Aussicht, bestraft zu werden, funktioniert dabei nicht als Abschreckung, findet Doping-Experte Prof. Dr. Ralf Brand von der Universität Potsdam.
Wo fängt Doping eigentlich an und wo hört es auf?
Prof. Dr. Ralf Brand: Es gibt eine rechtliche Sichtweise auf diese Dinge und eine eher psychologische. Die rechtliche Sichtweise auf Doping beginnt dort, wo das Strafrecht beziehungsweise die gesetzlichen Vorgaben greifen. Gesetzlich heißt: Die Einnahme welcher Substanzen ist legal und welche verboten? Die eher psychologische Sichtweise auf Doping sieht demgegenüber so aus, dass es als Einstieg ins Doping betrachtet werden kann, wenn Menschen künstliche Produkte, z. B. Nahrungsergänzungsmittel, allein mit dem Ziel zu sich nehmen, ihre Leistung zu verbessern.
Das trifft dann ja schon auf sehr viele Athleten zu.
An sich hört sich das zunächst unproblematisch an. Es kann aber auch bedeuten, dass dies ein Einstieg ist, um zukünftig „wirksamere“ Substanzen zu nehmen, die im schlimmsten Fall auch illegal sein können.
Fängt das dann schon damit an, wenn ich etwa zusätzlich Aminosäuren zu mir nehme?
Es fängt an bei unnötiger Supplementation. Künstliche Produkte, die allein zum Zwecke der Leistungssteigerung eingenommen werden.
Was tue ich meinen Körper mit Doping an? Man liest da ja immer wieder von den fürchterlichsten Dingen.
Interessanter Weise ist das so, dass du deinem Körper nicht so viel Schlechtes antust, wenn du auf legale Substanzen zurückgreifst. Tatsächlich kann es so sein, dass bei manchen Präparaten der Körper im Training profitiert. Schlechtes tust du eher deiner Psyche an, deinem Denken und Erleben.
Das heißt?
Du wirst feststellen, dass etwa Nahrungsergänzungsmittel helfen, aber bei weitem nicht in dem Umfang, den beispielsweise Werbung suggeriert. So kannst du auf den Gedanken kommen, dass das Experimentieren mit tatsächlich – und das ist ein Problem – mit wirksameren Substanzen, beispielsweise Anabolika, augenscheinlich viel größeren Nutzen bringt. Diese psychologische Herangehensweise an das Verhalten, bei dem das Zu-sich-nehmen künstlicher Produkte zur Leistungssteigerung eben eines ist, welches bei den vermeintlich unbedenklichen Substanzen anfängt und im schlimmsten Fall bis zur Verwendung verbotener Substanzen eskaliert.
Brauchen wir härtere Strafen in Deutschland?
Aus meiner Sicht lässt sich an der Geschichte des Dopings im Leistungssport ablesen, dass die Strategie des Testens und Bestrafens weitestgehend erfolglos geblieben ist. Es ist daher vernünftiger, Präventionsanstrengungen zu intensivieren, die dem Sporttreibenden die Entscheidung selbst überlassen. Nutzen und Schaden müssen dem Nutzer vor Augen geführt werden, damit er ethisch vernünftige Entscheidungen selbst treffen kann.
Warum ist es so leicht, an Dopingsubstanzen zu kommen?
Aus zwei Gründen. Erstens: Die Nutzung solcher Präparate ist auch in Deutschland so weit verbreitet, dass es einfach ist, Menschen zu treffen, die Erfahrungen haben. Oftmals erkennt man diese Leute bereits rein äußerlich. Zweitens: Es gibt eine immens große Verfügbarkeit aus überwiegend dubiosen Quellen im Internet. Es ist tatsächlich kinderleicht, Substanzen online zu bestellen.
Dementsprechend sind wohl auch Markierungen, wie etwa auf Zigarettenschachteln, sinnlos?
Das ist das, was sich in der Praxis genau so gezeigt hat. Dazu muss man eins sagen.
Nämlich?
Unglücklicherweise funktioniert illegales Doping. Insofern, dass Anabolika das Muskelwachstum extrem stimulieren. Aber kein Hersteller macht darauf aufmerksam, welche Nebenwirkungen damit einhergehen, weil das Produkt verkauft werden soll. Das ist das Gefährliche.
Ist Bodybuilding auf Wettbewerbsebene überhaupt ohne Doping möglich?
Es gibt weltweit Vereinigungen im Natural Bodybuilding. Die setzen bewusst auf ein dopingfreies Bodybuilding. Leider menschelt es auch dort, so dass auch dort schwarze Schafe identifiziert und entdeckt worden sind. Dennoch sollte man davon ausgehen können, dass ein Großteil der Menschen, die dort trainieren, ihre beeindruckenden Ergebnisse ohne die Einnahme verbotener Substanzen generieren.
Was können die großen Fitness-Unternehmen tun, der Sache Herr zu werden?
Trainer und Trainerinnen auf der Fläche müssen sensibilisiert werden dafür, dass Menschen Dinge tun, die sie später bereuen, beziehungsweise sich diesen Versuchungen offen gegenüber zeigen. Das Personal auf der Fläche sollte Menschen unterstützen, die richtigen Entscheidungen zu treffen. Wir brauchen gut ausgebildete Trainer und Trainerinnen, die wach sind. Das steht auch im Kern des „Safe You“-Ansatzes. Sie sollen den Trainierenden dabei helfen, die eigene Entscheidung zu treffen, immer vor dem Hintergrund eines sauberen und fairen Sports, dass es nur die eine Option gibt: nämlich auf verbotene Substanzen zu verzichten.